Unter dem Titel „Eine außergewöhnliche Begegnung“ fand in der vollbesetzten Aula des Annette-Kolb-Gymnasium eine Lesung der Holocaust-Überlebenden Anita Lasker-Wallfisch und Niklas Frank, dem 78-jährige Sohn des 1946 in Nürnberg hingerichteten Kriegsverbrechers Hans Frank in Traunstein statt, die u.a. von uns und zwei weiteren Lions-Clubs finanziell unterstützt wurde.
Zu Beginn betonte Schulleiter Bernd Amschler, wie wichtig die Begegnung mit Zeitzeugen sei und dass, in diesem Rahmen, Informationen über Geschichte und die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit einmal ganz anders stattfinden können.
Frau Anita Lasker-Wallfisch, die nach ihrer Befreiung nach Großbritannien emigriert war, übernahm den ersten Teil der Veranstaltung und las konzentriert und mit fester Stimme Passagen aus ihrem Buch „Ihr sollt die Wahrheit erben“ vor. Aufgewachsen in Breslau und aus gutbürgerlichem Elternhaus stammend, schilderte sie zunächst anschaulich, wie sich nach der Machtergreifung der Nazis das Leben der Juden Stück für Stück zum Schlechteren wandelte. Nach der sogenannten „Reichskristallnacht“ wurden die Verhältnisse für die Familie so unerträglich, dass die Eltern beschlossen, die älteste Schwester Marianne im Rahmen eines Kindertransports nach Großbritannien in Sicherheit zu bringen. Die beiden jüngeren Schwestern Renate und Anita mussten jedoch in Breslau bleiben und kamen 1942, nach der Deportation der Eltern, in ein Waisenhaus und mussten in einer Papierfabrik schuften. Dort versuchten sie Pässe für sich zu fälschen, wurden aber schließlich erwischt und zu Haftstrafen und schließlich zur Überführung nach Ausschwitz verurteilt. Während Anita im Lager die Haare abrasiert und die Häftlingsnummer am linken Arm tätowiert wurde, erzählte sie, dass sie Cello spielte. Diese Aussage rettete den Geschwistern das Leben. Anita wurde im sogenannten Mädchenorchester Ausschwitz als Cellistin aufgenommen.
„Es war vier Uhr nachmittags an diesem sonnigen 15. Aprils im Jahre 1945 als die Panzer der amerikanischen Armee ins Lager Bergen-Belsen fuhren und verkündeten, dass der Krieg vorbei sei und sie freie Menschen. Wir schauten stumm auf unsere Befreier. Zum Jubeln hatten wir keine Kraft.“ Mit diesen Sätzen beschloss die charismatische alte Dame ihren Teil des Abends.
Hart ins Gericht ging der ehemalige stern-Journalist Niklas Frank mit Hans Frank, der als Kind überzeugt war, dass Polen seinem Vater gehört. Auch er las einige Auszüge aus seinem Buch „Der Vater – Eine Abrechnung“, vor. Wegen der moralischen Verkommenheit und der schändlichsten Zerstörung der Rechtsstaatlichkeit durch die Nazis empfindet er für seinen Vater nur Verachtung und Abscheu. Anita Lasker-Wallfisch und Niklas Frank wollen gemeinsam mahnen - vor rechtem Gedankengut und dem Einfluss rechter Parteien, die in vielen Ländern Europas inzwischen wieder stark geworden sind.
Der Bundestag erinnert jährlich zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar, an die Ermordeten und Verfolgten des Nationalsozialismus. Der Gedenktag ist seit 1996 gesetzlich verankert. Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee Auschwitz. Allein dort hatten die Nationalsozialisten rund 1,1 Millionen Menschen ermordet.